Foto: Hans Rauchensteiner

29.09.2021 | Kategorie: 2021 , TopNews , FISU Games 2025

Rhine-Ruhr 2025 - Birgit Clarius: „Ich hoffe, dass die FISU Games 2025 vielen jungen Athletinnen und Athleten den Weg in die große Sportwelt öffnen.“

Die Universiade 1989 in Duisburg war der erste große Auftritt von Birgit Clarius auf dem ganz großen internationalen Parkett. Vor begeistertem heimischen Publikum sammelte die Siebenkämpferin Wettkampferfahrung, die sie zwei Jahre später bei der Universiade in Sheffield zur Goldmedaille katapultieren sollten.

Aus dem nichts griff die Gießenerin in der britischen Stadt zum Sieg, den ihr kaum jemand zugetraut hatte. Der Deutsche Leichtathletikverband wollte sie wegen eines Trainingsrückstands ursprünglich nicht für die Teilnahme nominieren. Doch der damalige adh-Disziplinchef Leichtathletik, Prof. Dr. Gerhard Treutlein, sprach sich für die junge Athletin aus und schenkte ihr sein Vertrauen.

Kurze Zeit später bedankte sich Clarius mit dem grandiosen Triumph und setzte ihren Weg in die internationale Spitze konsequent fort. Er führte sie 1992 zu den Olympischen Spielen nach Barcelona und zur Hallen-Weltmeisterschaft 1993 in Toronto. Mit der Bronzemedaille im Fünfkampf machte sie ihre Karriere dort perfekt.

Im Interview haben wir die heute 56-Jährige zu ihrem Schlüsselerlebnis in Sheffield befragt und wie sie zu den Rhine-Ruhr 2025 FISU World University Games in Deutschland steht.

Birgit, die Universiade 1991 in Sheffield ist jetzt genau 30 Jahre her. Welche Erinnerungen sind dir geblieben, sowohl an den Wettkampf als auch die Zeit außerhalb des Stadions?

Ist das schon 30 Jahre her? Wahnsinn! Der Weg dorthin war extrem turbulent. Die Vorbereitung, die Qualifikation, die Anreise – alles war kurzfristig und aufregend. Direkt nach der Landung wurde klar, dass meine Sporttasche mit allen Spezialschuhen nicht im Flieger mitgekommen war.

Ich bibberte bis zum Abend vor meinem Wettkampf, ob sie noch rechtzeitig nachgeliefert wird - zum Glück kam sie! Bei der Siegerehrung im Don Valley Stadium konnte ich es gar nicht fassen, dass ich ganz oben auf dem Treppchen stand. Und als ich bei der Abschlussfeier auch noch die deutsche Fahne ins Stadion tragen durfte, war alles noch wie ein Traum.

Viel Freizeit gab es nicht. Aber ich fand es schon sehr cool, mit Sportlerinnen und Sportlern aus anderen Sportarten und Ländern im Athletendorf unter einem Dach zu leben.

Welchen Stellenwert hatte die Universiade 1991 damals in deiner Karriere und welchen Stellenwert hat sie aus heutiger Sicht?

Die Universiade war ein wichtiger Meilenstein in meiner sportlichen Karriere. Ich war bis dahin schon international bei Europameisterschaften und auch bei der Universiade in Duisburg gestartet. Und ich war drei Jahre zuvor vom Deutschen Leichtathletik Verband für die Olympischen Spiele in Südkorea im letzten Moment ausgebootet worden.

1991 war dann das Jahr meines Uni-Abschlusses an der TU München-Weihenstephan. Wegen der Diplomprüfungen konnte ich im Winter nicht so intensiv trainieren und so kam ich erst verspätet in die Saison.

Mein Glück war, dass mir Prof. Gerhard Treutlein sein Vertrauen schenkte und mich gegen den Rat des DLV nominierte. Ich bedankte mich für sein Vertrauen mit dem Titelgewinn! Dieses Erlebnis hat mir für die Folgejahre viel Sicherheit und Selbstbewusstsein verliehen.

Also hast du etwas Wichtiges für deine spätere Laufbahn mitgenommen?

Der ganze Leistungssport hat meine Persönlichkeit extrem stark geprägt. Der Sieg in Sheffield hat mir für die Folgejahre viel Selbstvertrauen geschenkt. Der Stolz und die Genugtuung, es allen Zweiflern gezeigt zu haben!

Die Universiade 1991 ist neben meinen Olympischen Spielen von Barcelona und dem Medaillengewinn bei den Hallen-Weltmeisterschaften das Größte! Sie gehört zu den drei Mega-Highlights meiner Karriere als Siebenkämpferin.

Gab es eine Besonderheit bei der Universiade, die du bei den Olympischen Spielen in Barcelona oder bei den Weltmeisterschaften nicht festgestellt hast?

Bei der Universiade ist alles viel kleiner als bei den Olympischen Spielen, und die Medien sind wenig präsent. Aber das Erlebnis ist dennoch fantastisch!

Welche Chancen bieten die Rhine-Ruhr 2025 FISU Games für den Sport in Deutschland und speziell für die Leichtathletik?

Deutschland ist ein wunderbarer Gastgeber für die Rhine-Ruhr 2025 FISU Games! Darauf können sich alle Sportlerinnen und Sportler freuen. Ich hoffe, dass sie vielen jungen Athletinnen und Athleten den Weg in die große Sportwelt öffnen.

Wieso sollten studierende Spitzensportlerinnen und -sportler an den FISU Games teilnehmen, insbesondere an denen in der Region Rhein-Ruhr?

Die FISU Games sind mit Sicherheit eine wunderbare Erfahrung für alle jungen Athletinnen und Athleten. Man kommt mit Sportlerinnen und Sportlern aus der ganzen Welt zusammen, tritt gegeneinander an, tauscht sich aus, fiebert und feiert mit allen gemeinsam.

Wenn die Veranstaltung im eigenen Land stattfindet, wird sie auch sicherlich medienwirksamer. Dieser Wettbewerb kann ein wahres Sprungbrett für die weitere sportliche Karriere sein.

Was kann Deutschland als Ausrichter besser machen als andere Gastgeber?

Ich glaube die große Stärke von Deutschland ist, dass wir in Deutschland ein fachkundiges, interessiertes und sehr faires Publikum haben.

Wenn ich an die Universiade in Duisburg 1989 zurückdenke, meine erste aktive Universiade, dann habe ich immer die fröhlichen Bilder in Erinnerung. Das begeisterte Publikum, das alle Sportlerinnen und Sportler – egal welcher Nation – angefeuert hat. Diese Fairness vermisse ich bei vielen Veranstaltungen in anderen Ländern.

Was machst du heute eigentlich beruflich?

Ich habe während des Leistungssports Oecotrophologie (Haushalts- und Ernährungswissenschaften) studiert und dann mehrere Jahre freiberuflich, aber auch bei der AOK Landsberg/ Lech als Ernährungswissenschaftlerin gearbeitet. Mit der Geburt meines 3. und 4. Kindes bin ich aus meinem Beruf ausgeschieden. Seitdem sehe ich mich als Jongleurin eines kleinen Familienunternehmens.

Wer vier Kinder (oder auch mehr) hat, weiß wovon ich spreche. Man entwickelt sich zum multi-funktionierenden Wesen. Mit dem Erwachsenwerden meiner Kinder hatte ich mir zahlreiche ehrenamtliche Tätigkeiten angelacht - und die bekommt man nicht so leicht wieder vom Bein.

War der Übergang vom Spitzensport ins normale Berufsleben schwierig?

Ich fand den Übergang merkwürdig: Beim Sport kann man sich durch harte Vorbereitung dann beim Wettkampf einen so wunderbaren Applaus und ein unbeschreibliches Glücksgefühl abholen.

Dieses fantastische Gefühl wenn Du mit Leichtigkeit über die Hochsprunglatte segelst, wenn Du das Wurfgerät optimal „triffst“ und Du schon beim Abwurf spürst, das wird genial - so ein Gefühl bekommst Du im Berufsleben nicht.

Beim Jonglieren von damals zwei Kindern und Beruf hat mir sicherlich die Disziplin aus dem Sportleben geholfen. Man kann sehr zielstrebig und diszipliniert arbeiten.

Welche Bedeutung hat die Leichtathletik heute noch für dich?

Ich schaue mir nach wie vor gerne Leichtathletik an – leider kommt sie viel zu wenig im Fernsehen.

Ansonsten habe ich tatsächlich täglich mit der Leichtathletik zu tun. Als meine älteste Tochter Carolin mit Leichtathletik begann, herrschte wie überall (und auch heute noch) Trainermangel und ich habe mich allmählich in den ortsansässigen Leichtathletik-Verein (LG Neckargemünd) hereinziehen lassen.

Meine Tochter macht schon lange keine Leichtathletik mehr. Aber ich stehe Woche für Woche im Stadionrund, trainiere die Altersklassen von U14 bis U23, gehe mit ihnen auf Wettkämpfe, organisiere und plane, betätige mich journalistisch und trainiere im Auftrag des den Badischen Leichtathletik Verbandes mit einigen Trainerkollegen die U14er des Rhein-Neckar-Kreises.

Die Arbeit mit den jungen Menschen macht riesigen Spaß!