22.11.2025 | Kategorie: Wettkampf , FISU Games , Sommer

„Sport kann so viel schaffen und alltägliche Barrieren abbauen.“: Interview mit Lisa Bergenthal - Team des Jahres 2025

Die 3x3 Rollstuhlbasketballerinnen gewannen bei den FISU Games Gold und die Herzen der Fans. Dafür zeichnete der adh-Vorstand sie als Team des Jahres 2025 aus. Im Interview spricht Lisa Bergenthal über die FISU Games, die Bedeutung von Inklusion und ihre Ziele in Studium und Spitzensport.

Welchen Stellenwert hat diese Ehrung für euch als Team?

Als erste Parasportart Teil der FISU Summer Games gewesen zu sein, ist für uns einerseits wirklich besonders, da wir einen weiteren Schritt auf eine inklusive Gesellschaft zugehen. Dass wir außerdem das Turnier erfolgreich abschließen konnten, ist auf der anderen Seite ein Beweis für unsere harte Arbeit und die Berechtigung, Teil der FISU Games gewesen zu sein. Dieses Zeichen wollen wir für den Parasport setzen. Die Ehrung bei der adh-Vollversammlung war eine tolle Bühne für uns. Wir konnten uns zeigen und wurden für unsere Leistungen gefeiert. Gemeinsam das Event Revue passieren zu lassen und die Goldmedaille zu zelebrieren, war ein klasse Gefühl!

Mit eurem Sieg bei den FISU Games habt ihr Geschichte geschrieben – kannst du uns die Emotionen nach dem Abpfiff schildern? War dieser Erfolg dein Saison- oder sogar Karrierehöhepunkt nach den Paralympics?

Wir haben es ja besonders spannend gemacht und den Moment des Abpfiffs sogar zweimal durchgemacht. Nach dem Abpfiff der regulären Spielzeit sind direkt die ersten Freudentränen gerollt, jedoch kam schnell die Information, dass der letzte Korb zu spät gefallen ist, sodass es für uns in die Overtime ging. Diese durchzustehen, war die einzige Option, wir wollten uns diese Emotionen nicht mehr nehmen lassen. Das Gefühl nach dem endgültigen Abpfiff löst heute noch Gänsehaut bei mir aus. Der Moment, in dem die gesamte Anspannung abgefallen ist und wir wussten, dass wir es wirklich geschafft haben, wird mir für immer in Erinnerung bleiben. Ich musste weinen und lachen zugleich und war einfach unendlich stolz auf das gesamte Team. Am liebsten hätte ich alle gleichzeitig umarmt. Ich würde definitiv sagen, dass es ein großes Karrierehighlight war – auch weil wir alle eigentlich vom 5x5 kommen. Das Ziel einer Medaille bei den Paralympics bleibt bestehen, jedoch konnten wir einen großen Schritt machen und werden die FISU Games sicherlich niemals vergessen. Hoffentlich dürfen wir auch in Zukunft weitere Highlights – gerne auch bei den FISU Games – miterleben.

Was war dein persönliches Highlight bei den FISU Games abseits der Wettkampffläche?

Es gab sehr viele Highlights off Court. Erstmal, dass es Heimspiele in Deutschland waren und für mich dann sogar im eigenen Bundesland. Wir durften in der ausverkauften Halle vor hervorragenden Fans spielen, die meistens in der Mehrzahl für uns gejubelt haben – darunter natürlich unsere Familien, Freundinnen und Freunde. Was ich darüber hinaus wirklich genossen habe, war das Miteinander mit allen anwesenden Basketballerinnen und Basketballern. Für uns war es das erste Mal, gleichzeitig mit den Nicht-Para Aktiven in die Competition zu gehen. Daher ist es eine große Ehre gewesen, die Talente der anderen Sportarten um sich herum zu haben. Besonders unser Zusammenhalt mit den 3x3 Fußgängerinnen war sehr bereichernd. Wir haben immer wieder kurze Momente geteilt, uns gegenseitig Glück gewünscht oder gratuliert. Am Ende gabs für beide Teams die Goldmedaille, was uns wirklich zusammengebracht hat. Wir haben nach dem Finale zu acht einen Hudle gemacht und unseren Teamschrei gerufen. Ein magischer Moment, den wir dem Sport verdanken können. Dieses Miteinander der Menschen mit und ohne Behinderung hat mich wirklich sehr berührt.

Wie inklusiv haben sich die Games für dich angefühlt? Wünschst du dir künftig mehr davon?

Wie bereits gesagt, dieser Schritt war groß und wichtig. Der Zusammenhalt aller Aktiven war überragend. Wir hatten das Gefühl, dass es keine Rolle gespielt hat, ob wir in einer Parasportart oder Nicht-Parasportart antreten. Der Respekt kam von beiden Seiten. Sport kann so viel schaffen und alltägliche Barrieren abbauen. Wir hatten großen Spaß während des gesamten Events. Ich wünsche mir viel mehr davon für die Zukunft. Gelebte Inklusion bringt uns gesellschaftlich nach vorne und ich hoffe, dass wir in den nächsten Jahren weitere Schritte in diese Richtung gehen werden.

Was wünschst du dir für die Zukunft des Hochschulsports – besonders in Bezug auf Inklusion, Anerkennung und Vereinbarkeit von Spitzensport und Studium?

Im Hochschulsport wünsche ich mir Gleichberechtigung aller Sportarten. Die Anerkennung für alle Leistungen sollte unabhängig von einer Behinderung sein und gleichermaßen angesehen werden. Inklusion ist ein wichtiger Baustein für ein respektvolles Miteinander, dies sollte auf jeder Ebene gelebt werden. Wer Studium und Spitzensport kombiniert, sollte Möglichkeiten bekommen, in beidem erfolgreich zu sein. Hier wünsche ich mir gute und einheitliche Konzepte und klare Kommunikation untereinander, um allen Beteiligten die Wege auf der Karriereleiter – ob Sport oder Studium – zu erleichtern. 

Was muss man für eine internationale Karriere im Rollstuhlbasketball mitbringen?

Um im Rollstuhlbasketball erfolgreich zu sein und den Sprung auf die internationale Ebene zu schaffen, benötigt es Ehrgeiz, Ausdauer, Durchsetzungsvermögen und Mut. Hartes Training zahlt sich aus. Hierfür muss man sich manchmal auch zwingen oder Abstriche machen. Wenn der Fokus da ist und die Ziele gesetzt sind, braucht es gutes Zeitmanagement und Willen, um sich zu verbessern. Mein persönlich größter Antrieb ist trotz allem der Spaß. Ich liebe, was ich mache, und genieße all die einzigartigen Momente. Genau das motiviert mich, weiterzumachen und besser zu werden.

Was fasziniert dich am Spitzensport – was gibt er dir?

Der Spitzensport gibt mir unbeschreiblich viel. Ich durfte einerseits mein Hobby zum Beruf machen und es bereichert mich jeden Tag, an mir zu arbeiten und mich zu verbessern. Andererseits ist das Umfeld, das ich mir dadurch geschaffen habe, auch von großer Bedeutung für mich. Die Rollstuhlbasketballfamilie ist wie eine zweite Heimat. Durch den Sport bin ich angekommen und habe mein Selbstbewusstsein einwickelt. Heute bin ich stolz auf mich und der Umgang mit meiner Behinderung wurde positiv geprägt. Leistungssportlerin zu sein, täglich zu trainieren und alles für das Team zu geben, ist das Eine. Auf der anderen Seite bin ich aber auch Vorbild für Kinder mit Behinderung, denen ich Mut machen möchte. Das ist eine sehr große Ehre und ich freue mich auf alles, was auf meinem Weg noch kommen wird.

Wie meisterst du die Kombination aus Studium an der Uni zu Köln und Spitzensport?

Die Kombination funktioniert super. Mein Studiengang ist sehr flexibel, sodass ich mir meine Stundenpläne und Module selbst einteilen kann. Dadurch kann ich immer gewährleisten, dass ich meine Trainingseinheiten und Wettkämpfe mit meinem Uni-Alltag vereinbaren kann. Während des Paralympics-Sommers konnte ich beispielsweise problemlos kürzertreten, sodass ich mich immer auf das, was gerade ansteht, konzentrieren kann.

Welche Unterstützung bekommst du dabei von der Hochschule und von deinem Umfeld?

Die Uni zu Köln ist auf meinem Weg eine große Hilfe. Meine Dozierenden sind sehr verständnisvoll und kommunikativ. So kann ich mit meinen Sorgen und Vorstellungen auf sie zugehen und bisher konnten wir immer eine Lösung finden. Sei es mal das Verschieben einer Modulabschlussprüfung oder das Nacharbeiten einer verpassten Vorlesung. Darüber hinaus habe ich die Möglichkeit, das Fitnessstudio des Uni-Sports zu nutzen, um zwischen meinen Kursen Einheiten einzubauen, damit ich alles unter einen Hut bekomme.

Was motiviert dich tagtäglich – im Training und im Studium?

Meine Ziele erreichen zu wollen, ist meine größte Motivation. Ich möchte mich verbessern, möchte lernen und ich möchte erfolgreich sein. Sei es das Erreichen eines großen Wettkampfs oder der Abschluss meines Studiums. Im sportlichen Kontext motiviert mich natürlich auch mein Team. Gemeinsames Kämpfen und Zocken begeistern mich und ich möchte meine Kolleginnen natürlich nicht hängen lassen. Außerdem will ich Menschen zeigen, was möglich ist und meine Erfahrungen mit anderen teilen. So ist mein Sport auch eine Motivation für mein Studium und andersherum, da der Bereich Erziehungswissenschaften viele Überschneidungen mit dem Parasport hat.

Was sind deine langfristigen Ziele im Sport und beruflich nach dem Studium?

Im Sport möchte ich mich persönlich weiterentwickeln, in der Bundesliga Spielerfahrung sammeln und bei den Paralympischen Spielen in Los Angeles 2028 einen Impact auf das Spiel der Damen Nationalmannschaft haben. Im Studium möchte ich meinen Abschluss erfolgreich absolvieren und anschließend gerne mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderung arbeiten. Ich kann mir da viele verschiedene Bereiche vorstellen – toll wäre es auch in Kombination mit dem Sport.

Lisa, vielen Dank für das Gespräch!

Fotos der adh-Gala 2025